Bose-Bergmann-Kaserne


Bauernhöfe und ein dörflicher Charakter prägten bis in die Mitte der 1930-er Jahre das Ortsbild der Gemeinde Wentorf bei Hamburg. Es war eine Zäsur, als der Beschluss von der neuen Reichsregierung unter Adolf Hitler vom Neubau von Kasernen auch einen solch kleinen Ort am Rande Hamburgs traf. In drei Bauabschnitten von Westen beginnend wurden die späteren Bismarck-, Bose- und Bergmann-Kasernen gebaut.

Genau wie die in direkter Nachbarschaft gelegene Bismarck-Kaserne wurde auch die Bose-Bergmann-Kaserne Mitte der 1930-er Jahre gebaut. Auf den ehemaligen Feldern Wentorfer Bauern, die ihre Flächen an den Reichsfiskus verkauften, entstanden die Bose- und die Bergmann-Kaserne, die durch die zerschneidende Straße mit dem heutigen Namen „Zwischen den Toren“ getrennt waren. Die Trennung bestand nicht lange, sodass sich dann der komplette Komplex Bose-Bergmann-Kaserne nannte. Die Kasernen wurden im Jahre 1938 fertiggestellt.

Vor Kriegsbeginn waren hier das zweite Bataillon des Infanterieregiments 90, das Artillerieregiment 20 und die Artillerieersatzabteilung 225 der Wehrmacht stationiert. Die Benennung der Kaserne geht zurück auf den General der Infanterie Julius Friedrich-Wilhelm Graf von Bose und den General der Infanterie Walter von Bergmann.

Von Bose kommandierte 1873 das Infanterieregiment Nr. 31. Er verstarb 1884.

General von Bergmann war ab 1913 der Kommandeur dieses Verbandes und gleichzeitig der jüngste General der Deutschen Armee. Er verstarb 1950. Da der erste Truppenteil des neuen Standortes das IR 90 die Tradition des ehemaligen Infanterieregiments „Graf von Bose“ übernahm, erfolgte die Benennung der Kaserne nach ihm. Die Übergabe der Kaserne erfolgte durch den General der Infanterie von Bergmann.

Übersicht:

Größe:
zoom_out_map  32,5 ha

Abgabe:
date_range  31.12.1994

Status:
abgerissen, Wohngebiet. Wenige Gebäude erhalten..

Luftbild der Bose-Bergmann-Kaserne
Luftbild der Bose-Bergmann-Kaserne

Für den Bau der Wentorfer Kasernen wurden 16 Millionen Steine, 14.100 Tonnen Zement, 2.830 Tonnen Eisen und 7.000 m³ Holz verarbeitet.

Im Herbst 1938 nahm das Infanterieregiment 90 mit den zwei in Wentorf stationierten Bataillonen an der Besetzung des Sudetenlandes teil. Ab dem Frühjahr 1939 begannen für alle Bataillone diverse Übungsplatzaufenthalte mit kurzen Unterbrechungen in der Heimatkaserne, die dann ihren Fortgang in der Mobilmachung fanden. Mit Kriegsbeginn kämpften die Wentorfer Truppen in Polen später in Frankreich und Russland.

Nach dem Krieg und der Niederlage Deutschlands im Mai 1945 dienten die Kasernen zur Unterbringung heimatlos gewordener Menschen und Fremdarbeitern - sogenannter Displaced Persons - aus Osteuropa. Ab 1952 entstand in den Wentorfer Kasernen das größte Flüchtlingsdurchgangslager Europas. Entwurzelte, aus ihrer Heimat vertriebene Landsleute aus dem Osten Deutschlands fanden hier ihre erste Bleibe. 150.000 Menschen wurden in den Jahren bis 1960 durchgeschleust, 9.000 Betten standen zur Verfügung, der Aufenthalt dauerte bis zu drei Jahre. Die beiden Wentorfer Kasernen, vor allem aber die Wentorfer Bürger mit ihrem Verständnis für diese Probleme, haben so zu einer der größten Leistungen der deutschen Nachkriegsgeschichte beigetragen: der Integration der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen. Bei dem Lager in Wentorf handelte es sich um eine Außenstelle von Flüchtlingseinrichtungen Nordrhein-Westfalens. Das Land Nordrhein-Westfalen wandte sich mit einem Hilfeersuchen an die Landesregierung, die neben den Wentorfer Kasernen auch die spätere Hanseaten-Kaserne in Lübeck-Blankensee als Flüchtlingslager benannte.

Am 1. Januar 1960 endete die Belegung der späteren Bismarck-Kaserne mit Aussiedlern und sie wurde am 1. April 1960 an die Bundesvermögensstelle in Lübeck übergeben. Anschließend erfolgte die Übernahme durch die Standortverwaltung Wentorf. Die ersten Bundeswehrsoldaten, die in den Standort nach dem Zweiten Weltkrieg eingezogen sind, waren Luftwaffensoldaten der 5. und 7. Batterie des Flugabwehrraketenlehrausbildungsregiments (FlaLehrAusbRgt) 1. Am 1. April 1962 folgten Marinesoldaten des Fernmeldebataillons 771, die bis zum Herbst 1964 blieben.

Ab 1972 waren in der Bose-Bergmann-Kaserne bis 1994 folgende Truppenteile stationiert: Stab / Stabskompanie PzGrenBrig 16, Nachschubkompanie 160, Jägerbataillon 66 (teilweise), Panzerartilleriebataillon 165, Panzergrenadierbataillon 161, das Panzergrenadierbataillon 163 und das Feldersatzbataillon 63. Weitere Divisions- oder Sondertruppen waren in Wentorf nicht stationiert.

Als am 5. Mai 1994 der große Auflösungsappell auf dem Exerzierplatz der Kaserne stattfand, waren sich die Politiker Wentorf schon einig, dass hier ein neuer Stadtteil entstehen sollte. Doch die Planungen dazu haben über das Ende der Brigade, die endgültig zum 31.12.1994 aufgelöst wurde und einst die größte Brigade des Deutschen Heeres war, gedauert.

Im Jahre 1996 brannte die Sporthalle ab; der Feuerschein war weithin zu sehen. Auch immer weitere kleine Brände machten eine erneute Bewachung der Kaserne durch einen privaten Sicherheitsdienst erforderlich.

Am 24. September 1996 war es dann endlich soweit: mit einem großen Fest unter dem Motto "Auf's Gelände fertig los..." wurde der erste Einriss der Wand einer Fahrzeughalle als symbolischer Startschuss zur Konversion gestartet. Viele Wentorfer wohnten diesem Moment bei.

In den darauffolgenden zwei Jahren wurden nahezu alle Gebäude der Bose-Bergmann-Kaserne abgerissen, mit folgenden Ausnahmen: Feldwebelwohnheim, Block 4 (ehem. Stab PzGrenBtl 163 / PzArtBtl 165), Halle 80 (Lager NschKp 160) und Betriebsstofflager NschKp 160. Im ehemaligen Bereich des Casinos hat im Jahre 2002 der Casinopark eröffnet. Dahinter, in Richtung Börnsen, folgen Wohnblocks, Mehrfamilienhäuser und Reihenhäuser, sowie im ehemaligen technischen Bereich ein Gewerbegürtel, in dem unter anderem Wentorfer Unternehmen einen neuen Sitz aufgebaut haben. Im Jahre 2011 wurde dann auch das alte Betriebsstofflager der Nachschubkompanie 160 abgerissen und ein Autohändler errichtete hier einen Ausstellungsplatz für seine Neu- und Gebrauchtwagen.

An die Kasernenzeit erinnern einige Straßennamen, wie beispielsweise "Zwischen den Toren" und "Am alten Exerzierplatz".

Im Bereich des ehemaligen Haupttores steht heute ein Stein, auf dem zu lesen ist "Was verloren war, darf nie verloren sein". Dies geht auf den Besuch von Kanzler Adenauer im Flüchtlingsdurchgangslager zurück und bezieht sich auf einen anderen Stein mit dieser Inschrift, der einst in der Kaserne stand. Die originalen Lettern liegen im Gemeindearchiv.