Standortübungsplatz Höltigbaum


Bereits 1936 bis 1945 wurde Höltigbaum als Übungsplatz für die Wehrmacht genutzt. Man nannte ihn damals Exerzierübungsplatz. Von 1958 bis 1992 übte dann die Bundeswehr auf dem Standortübungsplatz Höltigbaum.

Als Nutzfläche standen 520 ha zur Verfügung, davon 230 ha für Kettenfahrzeuge. Der Standortübungsplatz war in acht Platzteile aufgeteilt; davon waren die Teile A-E mit Ausnahme
der Panzerstraßen für Kettenfahrzeuge gesperrt, die Teile F-H waren für alle Ausbildungsvorhaben nutzbar. Der Standortübungsplatz war nach den Erfordernissen der auf ihn angewiesenen Truppenteile gestaltet und erlaubte eine gefechtsnahe Ausbildung bei Tag und Nacht.

Übersicht:

Größe:
zoom_out_map  579 ha

Abgabe:
date_range   31.10.1995

Status:
Naturschutzgebiet, betreten möglich entlang der ausgezeichneten Wege

Das Gelände des Standortübungsplatzes wurde vor allem durch die Ketten- und Radfahrzeuge stark beansprucht. Ich denke hier an den Kampfpanzer Leopard, die Panzerhaubitze M 109, den Schützenpanzer Marder und zahlreiche andere Ketten- und Radfahrzeuge.

Die Ausbildung auf dem Standortübungsplatz war für die übende Truppe mit vielen Auflagen belegt. Sie waren in einer Benutzungsordnung festgeschrieben. Hier stand als wichtigster Grundsatz: Umweltschutz ist eine gemeinsame Aufgabe, im Zweifel hat der Umweltschutz Vorrang vor Erreichen eines Ausbildungsauftrags. Die Auflagen bei der übenden Truppe durchzusetzen, war nicht immer einfach.

Bis 1968 wurden die gesamten Flächen des Standortübungsplatzes mit Ketten- und Radfahrzeugen befahren. Dadurch wurden die Grasnarben weitgehend zerstört. Es entstanden Staubemissionen, die man bei großer Trockenheit bis nach Rahlstedt wahrnahm. Man erkannte, dass es so nicht weitergehen konnte und es wurden die Panzerstraßen gebaut. Die Fahrzeuge durften nur an gewissen Übergängen ins Gelände fahren. Diese Stellen wurden gekennzeichnet durch die Betonklötze, die heute noch entlang der Panzerstraßen zu
sehen sind. Teile des Übungsplatzes wurden besonders für Kettenfahrzeuge total gesperrt. Mit der Geländebetreuungsgruppe unter der Leitung des Agrar-Ingenieurs Ernst-Ahrend Witt hat man ein sogenanntes Rotationsverfahren eingerichtet. Geländeteile, in denen besonders die Panzereinheiten geübt haben, wurden für alle Übungsvorhaben gesperrt. Herr Witt nannte es die „Dreifelderwirtschaft“. Die gesperrten Geländeteile wurden neu geebnet und wieder eingesät. Nach circa 2-3 Jahren wurde der erholte Geländeabschnitt für die Truppe wieder freigegeben und das zwischenzeitlich beanspruchte Gelände wurde dann gesperrt.

Weitere Umweltmaßnahmen waren in Verbindung mit dem Bundesforstamt in Plön der „Tag des Baumes“. Im Herbst des Jahres 1985 wurden rund 1000 Bäume gepflanzt. Die Wäldchen, die so entstanden sind, wurden als Patenschaften an die einzelnen Bataillone übergeben. Wir nannten sie das Panzerwäldchen, das Artilleriewäldchen sowie das Grenadierwäldchen. Diese Anpflanzungen in der Nähe der Sieker Landstraße haben sich durch die Pflege der Soldaten hervorragend entwickelt. Auf dem Standortübungsplatz hatten wir einen Schäfer mit ungefähr 800 Schwarz- und Weißkopfschafen. Herr Rudolf Trepka, der einen Nutzungsvertrag mit der Bundeswehr hatte, trieb seine Schafe über den gesamten
Übungsplatz. Es gab nie Probleme mit der Truppe, ganz im Gegenteil, er war sehr beliebt bei den Soldaten.

Eine besondere Bedeutung für die Nutzung des Übungsplatzes hatte das sogenannte Sprengwäldchen. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand man Unmengen Blindgänger im Raum Hamburg, für die eine Bleibe gesucht werden musste. Man brachte sie zum Höltigbaum und lagerte sie gegenüber dem Sprengwäldchen. Dort wurde ein riesiger Trichter ausgehoben. Die Munition wurde in den Trichter gebracht, gesprengt und mit Erde bedeckt. Sprengmeister Merz, vielen alten Hamburgern noch bekannt, war auch daran beteiligt. Neue Blindgänger wurden darüber gelegt und wieder versuchte man, die Munition zu sprengen. Dabei detonierte ein Teil der Munition nicht. Man beließ es dabei. Es ist im wörtlichen Sinne Gras über die Sache gewachsen und im Laufe der Jahre entstand an dieser Stelle das Birkenwäldchen.

Der Bundeswehr war dieser Vorgang nicht bekannt gewesen. Als man auf diesem Gelände übte, fand eines Tages ein Soldat des damaligen Feldartilleriebataillons 177 eine Handgranate beim Schanzen. Die Aufregung war groß. Der Kampfmittelräumdienst wurde eingeschaltet und dieser Platzteil für alle Übungsvorhaben gesperrt. Von da an hatte der Kampfmittelräumdienst viele Jahre zu tun. Bis zu 12 Meter tief wurde zum Teil mit Spaten und Bagger nach Munition gesucht. Es war eine kostspielige Angelegenheit, rund drei Millionen DM musste die Bundeswehr bereitstellen, da sie ja Eigentümer des Übungsplatzes war. Von der Pistolenmunition 9 mm bis zur 500-kg-Fliegerbombe wurde eine
große Vielfalt gefunden. Was nicht transportsicher war, wurde vor Ort gesprengt.

Das Sprengwäldchen wurde damals zu einem Politikum. Aus Unwissenheit wurden in Leserbriefen Vorwürfe laut, es handele sich um Munition der Bundeswehr. Man fragte, warum dieses Gebiet nicht mit einem Zaun abgesperrt wurde. Der Kampfmittelräumdienst hat dies immer abgelehnt. Bei Gefahr im Verzuge hätte der Zaun einen Fluchtweg nach allen Seiten versperrt. Die Bundeswehr lehnte einen Zaun ebenfalls ab, man sagte, ein Zaun hätte nur einen Sinn, wenn er bewacht würde. Weiterhin würde dieser Platz durch den Zaun nur noch interessanter. Es ist aber nie etwas passiert und heute ist das Gelände munitionsfrei.

Nachdem bekannt wurde, dass die Bundeswehr im Rahmen der Truppenreduzierung den Standortübungsplatz aufgeben werde, kamen von allen Seiten Ideen, was man mit dem Gelände machen könnte. Eine Müllhalde für Sondermüll sollte entstehen, etwa auf dem Gelände gegenüber den Sendemasten. Bei einer Begehung war damals der Umweltsenator Vahrenholt zum ersten Mal auf Höltigbaum. Ich sprach mit ihm über das Sprengwäldchen, welches ja ganz in der Nähe der geplanten Müllhalde lag, und dass man wohl noch viele Jahre brauchen werde, bis alle Munition entsorgt sei. Damit war das Thema Müllberg erledigt. Wir sprachen darüber, dass doch nach dem Weggang der Bundeswehr Höltigbaum zum Naturschutzgebiet werden könnte. Bei der Platzbesichtigung war er sehr beeindruckt von der Natur. Es war ein schöner Sommertag, Lerchen gingen in die Lüfte, die Landschaft zeigte sich in ihrer ganzen Schönheit. Er sagte mir damals, er würde sich dafür einsetzen, dass Höltigbaum Naturschutzgebiet werden solle. Leider fiel in dieser Zeit ein Regierungswechsel in Hamburg an und Vahrenholt stand nicht mehr zur Verfügung.

Es kamen andere Vorschläge für die Nutzung von Höltigbaum ins Gespräch: der Bau eines Gefängnisses, einer Sporthalle usw. Für mich war es klar, dass dieses alles am Sprengwäldchen scheitern würde. Denn es gab einen Sicherheitsradius von ca. 500 bis 1000 m um das Sprengwäldchen, in dem keine größeren Bebauungen stattfinden durften. Außerdem war es eine Kostenfrage. Der neue Eigentümer müsste für die Kosten der Räumung aufkommen. Als dann 1997 der schleswig-holsteinische Teil des Platzes zum Naturschutzgebiet erklärt wurde, war mir klar, dass Hamburg nachziehen musste. Es gibt keine natürliche Grenze zwischen Schleswig-Holstein und der Hansestadt Hamburg im Gelände. Wie sollte man dort kenntlich machen, wo das Naturschutzgebiet beginnt und wo es endet?

Der Zeitpunkt rückte näher, dass die Bundeswehr im Rahmen ihrer Truppenreduzierung und Schließung der Kasernen im Osten Hamburgs den Standortübungsplatz und die Standortschießanlage Höltigbaum aufgeben sollte. Ich hatte den Auftrag bekommen, diese Anlagen über die Standortverwaltung dem Bundesvermögensamt zu übergeben. Es galt den Platz so vorzubereiten, dass keine Gefahr für die Zivilbevölkerung beim Betreten aufkommen würde. Es war keine leichte Aufgabe, ein Gelände, das fast 40 Jahre durch die Bundeswehr genutzt wurde, so wieder herzurichten, als ob hier nie geübt worden wäre. Hier half das Instandsetzungsbataillon 6 aus der Lettow-Vorbeck-Kaserne (HH). Mit bis zu 100 Soldaten im fast täglichen Einsatz ebneten wir die Kampfstände wieder ein, suchten den Platz nach Manövermunition ab und entsorgten den Müll, den fast ausschließlich die Zivilbevölkerung dort hingekarrt hatte.

Das größte Problem waren die Panzerbrücke vom M48 und der Handgranatenwurfstand, bei dem ein Pionierbataillon aus Eutin zum Einsatz kam. Es rückte mit Großgerät an und war 10 Tage beschäftigt, um diese Anlage zurückzubauen. Die Brücke war ein noch aufwendigeres Problem. Sie musste auseinandergeschweißt werden und erforderte allein sechs Tage harter Arbeit. Mit der Standortverwaltung wurde das Gelände schließlich an das Bundesvermögensamt übergeben, nach bestem Wissen und Gewissen von allem Material gesäubert. Es ist mir auch kein Fall bekannt, dass später noch Manövermunition gefunden wurde.

Der Vorsitzende des Vereins Jordsand, Uwe Schneider, den ich sehr oft auf Höltigbaum getroffen habe, sagte einmal: „Die Bundeswehr hat uns ein Juwel an Naturschutz übergeben.“ Diesen Satz habe ich sehr gern gehört und freue mich, wenn ich während meiner Tätigkeit als Standortfeldwebel etwas dazu beitragen konnte, dass aus dem ehemaligen Standortübungsplatz Höltigbaum ein wunderschönes Naturschutzgebiet wurde.

Von: StFw a.D. Gerd Bein, ex- PzArtBtl 177 und letzter Soldat auf dem Höltigbaum